Produktbeschreibung von Reinhard Wenzel nach dem Hörtest…
Viel Spaß beim Lesen!
Plattenspieler „PRO-JECT 10 Xtension SuperPack“
- Laufwerk mit Staubschutz-Haube, 10-Zoll-Tonarm und Tonarmkabel (3.150 €);
- ORTOFON MC „Candenza Black“ (2.250 €). SuperPack-Komplettpreis: 3.975,– €
SEITENSPRUNG – Testbericht exklusiv für Uni-Hifi-Bremen
Ganz ehrlich: Ich mag klassische Formen. Bei Plattenspielern etwa ein schönes Chassis unter einer sanft schimmernden Haube, die mühelos aufklappt, um den Blick auf einen prächtig glänzenden Plattenteller freizugeben. Dazu ein schicker Tonarm mit hochwertigem Abtaster, bestückt mit einem blitzenden Miniaturdiamanten, in dem selbst die Sonne erwartungsvoll ihr Prisma entblößt. Mehr braucht es eigentlich nicht, um völlig zufrieden „analog“ hören und genießen zu können.
Genau so wurden einige japanische Klassiker im Mahagoni-Gewand zur stilbildenden Legende. Also kein Grund, diese ebenso simple wie schöne Optik zu verschmähen. Solche verführerischen Laufwerke müssen heutzutage auch nicht mehr aus Fernost eingeführt werden. Eher umgekehrt.
Pro-Ject residiert in Wien, die fragliche Schönheit stammt also aus Österreich. Sie wird mit einem langen Tonarm geliefert, der serienmäßig ein Ortofon Candenza Black unter der Haube führt. Für die Optik stehen sogar vier Kleider zur Wahl. Als verbraucherfreundlicher Clou wird das pralle Paket für einen Vorzugspreis von unter viertausend Euro geliefert! Rechnen Sie mal nach…
Obwohl ich zu Hause analog gut ausgestattet bin, war sofort meine Neugier geweckt. Inhaber Michael Affeldt hatte somit keine Wahl, er musste mir ein baldiges Treffen mit der charmanten Wienerin versprechen. Für solche Zweisamkeiten hat das Bremer Uni-Hifi-Team nicht nur separate Räume, sondern auch eine ausgezeichnete Ausrüstung, um die Kunden oder Freunde des Hauses mit prima Kaffeespezialitäten zu verwöhnen, in meinem Fall einer hervorragenden Latte Macchiato.
Zur klassischen Ausstattung des Xtension gehört eine transparente Staubschutz-Haube, die an der Zarge in Scharniere eingehakt werden kann. Das riemenbetriebene Laufwerk hat eine integrierte Speed-Box mit ausgelagertem Netzteil. Die Bedienung ist simpel, die gewählte Drehzahl wird punktgenau digital in einem kleinen Fenster angezeigt. Chassis und Plattenteller sind magnetisch entkoppelt, die LPs erwartet eine invertierte Plattenauflage aus Vinyl. Serienmäßiges Zubehör ist ein passend lackiertes Messinggewicht. Das ist alles sehr solide gefertigt, bewährte Konstruktion und hochwertiges Material. Will sagen: weitere Experimente überflüssig.
Hochinteressant auch der elegante, schwarze Tonarm 10cc Evolution. Er ist mit Kohlefaser vom Lager bis zur Spitze in einem resonanzoptimierten Stück gefertigt. Dass er mit seinen 10 Zoll ein Stück raumgreifender ist als die üblichen Neunzöller, fällt auf dem großen Laufwerk gar nicht auf. Im Gegenteil, die Proportionen wirken vertraut und harmonisch. Die wuchtige Lagerung lässt gar nicht erst einen Punkt in Verdacht kommen – hier handelt es sich um eine kardanische Lösung höchster Güte! Die Armablage hat sogar eine magnetische Einparkhilfe, dafür ist das Antiskating wieder ganz klassisch per Faden und Gewicht gelöst. Hinzu kommt das solide Tonarmkabel 5P-CC, das wahlweise mit Cinch- oder XLR-Steckern (für symmetrischen Betrieb) geordert werden kann.
Anderswo wird der Xtension mit Blick auf sein Gewicht einfach als Masselaufwerk kategorisiert. Sorry, ich bin anderer Meinung. Schubladen passen nicht, denn der Pro-Ject beantwortet die analoge Grundsatzdebatte (Leichtgewicht, Subchassis, Masselaufwerk…) mit einer differenzierten Lösung. Das Konstruktionsprinzip entspricht einem simplen Brettspieler, also Teller, Antrieb und Tonarm auf einer Ebene vereint. Dem Prinzip des weichen Subchassis folgt die Entkopplung neuralgischer Punkte durch Magnete oder Sorbothan. Schließlich sind Chassis, Teller und Arm mit verschiedenen Materialien so massereich kombiniert, dass sich letzte Resonanzen totlaufen, soweit die anderen Hürden sie nicht gänzlich stoppen konnten. Luftschall wird klassisch durch die Haube abgeschirmt. Der X-tension vereint also einfach geschickt die unterschiedlichen Ansätze, statt sie zu diskutieren.
Die vielen wertigen und durchdachten Detaillösungen machen den hohen Anspruch deutlich, auf den Pro-Ject abzielt. Daher ist das Ortofon Candenza Black auch keine simple Ergänzung, sondern eine Positionierung, wo das ganze Ensemble qualitativ eingeordnet werden muss. Separat kostet der dänische Abtaster mit seinem Boron-Nadelträger und dem Shibata-Schliff über zweitausend Euro! Mit seinen Eckdaten passt das MC ausgezeichnet zum Tonarm, zugleich stellt die bewährte Technik keine besonderen Ansprüche an die Elektronik. Aber hochwertig sollte die Phonostufe sein!
Zum Hörtest wurde der Pro-Ject mit dem großen Accuphase E-600 Vollverstärker mit integriertem Phonomodul verbunden, was sich als ausgezeichnete Wahl erwies. Außerdem sicher eine praxisnahe Paarung. Noch bevor es richtig losgeht, fällt die Ruhe der Anlage auf. Kein ziepen und brummen, nur ein minimaler Rauschteppich, dazu muss man aber schon die Ohren spitzen oder den Leerlauf aufdrehen. Bereits die ersten Takte von Deodato’s „Also sprach Zarathustra“ zeigen: es erwartet dich großes Kino! Alles passt, obwohl die Aufnahme ihre Tücken hat. Die verhallten Bongos stehen glaubwürdig im Raum, zugleich hört man jedoch, dass bei der Aufnahme elektronisch nachgeholfen wurde. Warm blubbernde Keyboards treffen auf schneidende Bläser. Der Kontrast kommt schön klar und detailliert, ohne zu verschmieren. Mit dem griffigen Bass ergibt sich auch ein sehr rhythmisches Klangbild. Ja, gefällt mir!
Was passiert, wenn es dynamisch anspruchsvoller wird? Da liebe ich die fulminanten Telarc-LPs, also kommt der klassische „Feuervogel“ auf den Teller. Die Lautstärke ruhig noch etwas höher, um das Herzrasen zu befördern. Wenn dann der volle Orchesterkörper abhebt, Bläser schmettern und Kesselpauken den Raum anregen, könnte auch unbemerkt draußen ein Flugzeug abstürzen. Der Pro-Ject komprimiert aber nicht die Spur, liefert alles sehr sauber und unerbittlich. Beeindruckend!
Filigranes und fetziges Schlagwerk mit messerscharfen Kanten und Konturen kommt dann von Dead can Dance. Kein Problem, die stoische Quelle lässt sich nicht beirren und bietet ein nahezu perfekt ausbalanciertes Klangbild. Porcupine Tree wird sehr präzise und konturiert in den Raum gestellt. Paul Simon vermittelt mit feinen Zwischentönen den vollen Spaß am hören, Pink Floyd kann brutal dynamisch zuschlagen. Da muss man das Ergebnis gar nicht sezieren und die Erbsen zählen, das alles ist ein rundes und komplettes Musikerlebnis.
Auf die einsame Insel mit nur einem Album? Satchmo und Duke mit Band! Verschwitzte, pure Musik, da stimmt einfach alles. Pro-Ject und Ortofon lassen sich anstecken, das Ensemble singt förmlich und ist mit hörbarem Spaß bei der Arbeit. Die Anlage spielt und swingt, dass es die reine Freude ist! Räumliche Konturen werden in Tiefe wie Breite stimmig präsentiert, Louis hat Verve und Schmelz, ohne zu verschnupfen. So und nicht anders kann und soll Analog klingen, jawohl!
Den passenden Schlusspunkt bildet das Finale der „Scheherazade“. Der Plattenspieler muss den Spagat zwischen den heftigen Eruptionen des vollen Orchesters und dem leisen, zarten Wehklagen des Solisten bewältigen. Hier kommt der Anlage eine sehr schöne Eigenschaft des Pro-Ject/Ortofon-Gespanns zugute: die große Sauberkeit der Abtastung. Das erlaubt die glasklare, selbstverständliche Abbildung feinster Details, ohne dass es angestrengt wirkt.
Fazit: Sehr sexy! Mit der Xtension-Ortofon-Kombination hat Pro-Ject einen echten Überflieger im Programm, das Preis-Klang-Verhältnis ist geradezu unverschämt gut! Wer günstig eine endgültige und tolle analoge Lösung im klassischen Gewand sucht, kann bedenkenlos zugreifen!
Reinhard Wenzel, April 2014
Komponenten der Testanlage: Lautsprecher BOWERS & WILKENS „CM 10“, Vollverstärker ACCUPHASE E-600 inkl. Phonomodul, Lautsprecherkabel ANIMATO.
Gehörte LPs: Pink Floyd „Pulse“, Satchmo + Duke „Recorded together“ MFSL 2-155, Stravinsky’s „Feuervogel“ Telarc, Tjeknavorian Rimsky-Korsakov’s „Scheherazade“ JVC, Deodato „Prelude“ King Rec. Japan, Porcupine Tree „On the Sunday of Life…“, Paul Simon „Songs from the Capeman“, Dead can Dance „Spritichaser“ 4AD.